Seit ich denken kann – und das ist ungefähr genauso lang wie ich jetzt schon als Trainer arbeite – höre ich das immer wieder: „Ich kann noch! Was soll ich jetzt noch machen?“
Das kam übrigens nicht erst durch Crossfit auf, dieses Mindset besteht seit jeher: je härter das Training, desto besser! Je mehr, desto besser!
Allgemeine Betrachtung: Warum trainierst Du eigentlich?
Bei den meisten gibt es verschiedene Gründe, warum sie trainieren: Ausgleich zur Arbeit, sozialer Aspekt, Abschalten vom Alltag… all diese Gründe werden aber in den allermeisten Fällen durch einen Hauptgrund begleitet: ich möchte besser werden in dem, was ich tue.
Ich erkläre das meinen Trainierenden meist so, dass der Plan den ich erstelle der Plan ist von dem ich glaube, dass sie damit vorankommen und Fortschritte machen werden. Der Plan soll Dir ja schließlich helfen, besser zu werden und Deine Ziele zu erreichen! Oft ist nämlich das Erstaunen groß, dass die anvisierten Einheiten gar nicht so umfangreich sind wie erwartet und sie gehen auch nicht so weit in die Erschöpfung, wie manche bereit wären zu gehen.
„Torsten! Meinst Du nicht ich solle vielleicht doch noch ein bisschen mehr machen (oder irgendwelche fancy Intensitätstechniken einbauen)?“ Nein! Wäre ich der Meinung, dass Du das langfristig so durchziehen könntest und es Dir mehr Erfolg bringt als das was Du jetzt machst… meinst Du nicht, ich hätte Dir das dann nicht so als Aufgabe gegeben? Ich will doch, dass Du Erfolg hast! Erst recht, wenn wir zusammen arbeiten. Muss also wohl doch ein Grund hinter stecken!
Das Prinzip von Reiz und Anpassung
Wenn wir trainieren, setzen wir unseren Körper einem Reiz aus. Im Endeffekt zeigen wir ihm etwas wie „das was ich da grad mache, das kann ich nicht gut“ oder positiv ausgedrückt „das würde ich gerne besser können!“ Wenn alles gut läuft, reagiert der Körper mit Anpassung. Er wird leistungsfähiger oder baut beispielsweise Muskulatur auf.
Dieser Reiz, der muss ein gewisses Level haben, das heißt, er darf nicht zu klein sein. Nimm Dir in jede Hand einen Kugelschreiber und mache damit Bizepscurls. Ich denke es ist ziemlich egal, wie gut Du dieses Curls ausführst und wie viele Wiederholungen Du damit machst, das ist ganz einfach zu wenig Gewicht. Das wird so nix mit Muskel- und Kraftzuwachs. Das ist ein unterschwelliger Reiz!
Auf der anderen Seite muss ein Trainingsanfänger auch nicht trainieren, bis ihm die Hanteln aus den Händen fallen. Ich habe zuletzt vermehrt Frauen, die vorher nicht regelmäßig Krafttraining gemacht haben, beim Einstieg in Sport und explizit auch Krafttraining geholfen. Keine von ihnen würde heute sagen, dass Training mit mir „leicht“ sei. Aber wenn sie dran bleiben und in einem Jahr zurückblicken, dann waren diese ersten Einheiten doch vergleichsweise harmlos. Je leistungsfähiger man (und frau) nämlich wird, desto größer müssen die Trainingsreize sein. Zu Beginn können wie Reize aber noch etwas niedriger liegen!
Bringt mehr auch wirklich immer noch mehr?
Wenn ich einen Fortgeschrittenen oder sehr regelmäßig Trainierenden frage, ob sie oder er denn glaubt, dass wirklich so viel und so hart nötig sei, dann bekomme ich häufig eine Antwort wie: „Aber Du siehst an mir doch, dass es funktioniert!“
Ganz genau genommen sprechen das die wenigsten so deutlich aus, aber diese Aussage steckt meist irgendwo versteckt hinter ihren Antworten. Und dann frage ich oft etwas wie: „Hast Du Dir mal überlegt, ob Du nicht vielleicht noch viel weiter sein könntest, wenn Du anders trainieren würdest!“
Nicht missverstehen bitte, ich spreche jetzt hier nicht davon, mit der Hälfte des möglichen Gewichts ein paar lockere Wiederholungen zu machen. Ein hartes, intensives Training muss aber nicht bedeuten, dass es in absoluter Erschöpfung endet und Du den Rest des Tages zu nichts Gescheitem mehr zu gebrauchen bist.
Weniger Erfolg, Übertraining, Verletzungen!
Wie bereits erwähnt wäre es möglich, dass weniger oder nicht ganz so hartes Training mehr Erfolg bringt. Noch viel wichtiger aber: zu viel und zu hartes Training kann zum so genannten Übertraining führen. Dieses kann in ausbleibenden Fortschritten oder weiter entwickeltem Stadium zu stark nachlassender Motivation, einem chronischen Erschöpfungssyndrom oder zu Verletzungen führen.
Es ist leicht, als Trainer jemanden komplett zu plätten!
Manchmal sagen Trainierende sowas wie: „der XY, der macht das super, bei dem ist das Training noch ein bisschen härter gewesen!“ Du wirst vermutlich schon vermuten, dass ich das anders sehe. Ich muss aber zugeben, dass ich mich bei solchen Aussagen früher schon ein bisschen angestachelt gefühlt habe. Schließlich war ich doch der mit den anspruchsvollen, abwechslungsreichen, aber auch durchaus sehr anstrengenden Kursen. Irgendwann wurde mir aber klar, dass ein guter Trainer nicht der ist, dessen Training oder dessen Kurse besonders anstrengend sind. Ein guter Trainer ist der, der Dir hilft besser zu werden! Bei dem es Dir Spaß macht zu trainieren! Um jemanden komplett zu plätten, musst Du kein guter Trainer zu sein, das kann jeder Anfänger!
Fazit – musst Du Dir Sorgen machen?
Wichtig war mir dass Du verstehst, dass gutes Training nicht zwingend mit sehr erschöpfendem Training gleichzusetzen ist. Bei sehr leistungsorientierten Sportlern tritt diese Einschätzung wohlgemerkt häufiger auf. Aber auch bei Hobbysportlern gilt manchmal: „mehr ist besser!“ Nochmal der Hinweis: Ich sehe das anders!
Gehörst Du zu den Menschen, die gerade daran arbeiten, überhaupt regelmäßig Sport zu treiben? In diesem Fall ist es nett, dass Du schon mal von diesem Thema gehört hast. Solltest Du Dich weiterentwickeln und Du irgendwann an diesem Punkt („noch mehr, noch härter?“) stehen, dann denk daran zurück.
Wenn ich mit Klienten zusammen arbeite, so dürfen Muskeln durchaus mal brennen und gegen Schwitzen kann man was tun, nämlich anschließend Duschen! Ich richte die Trainingsvariablen aber immer nach den Zielen, dem Leistungsstand und den Umständen der jeweiligen Person aus! Das Ganze soll ja schließlich noch lange und mit Freude so ausgeführt werden! Und Erschöpfung darf kein Selbstzweck sein!