Die „Schlechtes-Training-Trilogie“ – Teil 1: Wenn Du keine Ahnung vom Training hast, das aber leider nicht weißt!

Ich hatte gestern im Sportpark Besuch von einem guten Kumpel. Ingo wird nächstes Jahr 60 und trainiert seit über 45 Jahren. Durchgehend übrigens! In jungen Jahren hat er auch Wettkämpfe bestritten und jetzt mit 59… nun ja, Ingo ist noch immer eine Maschine und seine Arme ragen aus einem gut gebauten Körper noch einmal besonders hervor.

Ihm wird das vermutlich ein bisschen unangenehm sein, dass ich so über ihn spreche und das Äußere so hervorhebe. Abgesehen vom krassen Body (und den noch krasseren Bizepsen) ist Ingo nämlich einfach ein super Typ und seit über 2 Jahrzehnten mein Freund. Warum ich den Umweg über den gut gebauten Körper genommen habe, das wirst Du aber gleich verstehen.

Wenn Trainer über Training sprechen!

Natürlich haben wir neben all den anderen Dingen des Lebens auch über das Training gesprochen… wie eigentlich immer in den 23 Jahren, die wir uns nun schon kennen. Ingo hat im Sportpark Bad Nenndorf eine Trainingseinheit absolviert und wenn es sich zwischendrin ergab, habe ich zugeschaut.

Immer interessant zu sehen, wie Ingo trainiert. Mit hoher Anstrengung, ja, aber vor allem mit höchster Konzentration und absolut präziser Ausführung. Wenn es anstrengend wird, dann holt er nicht Schwung oder fälscht die Übung ab, sondern strengt sich halt ein bisschen mehr an, um die nächste Wiederholung noch zu schaffen… na ja, und dann noch eine… und noch eine…

Der weiß wie es geht!

Wenn Du zuschaust, dann verstehst Du auch ohne jegliche Ahnung von der Materie, dass das gut ist, so wie er es macht. Ist doch vollkommen klar, dass Du Dir von so jemandem erklären lässt, wie es geht, oder?

Du wärst entsetzt zu erfahren (genau genommen erfährst Du das jetzt ja), wie wenig teilweise auf Trainer gehört wird, selbst wenn diese absolute Koryphäen auf ihrem Gebiet sind und auch eigentlich genau verstehen, wie man das so rüberbringt, dass der Trainierende es auch umsetzt und macht.

Das geht übrigens nicht nur Ingo so, sondern mir auch! Und ich habe nicht so nen tollen Bizeps als Argument in der Hinterhand!

Wenn man keine Ahnung hat und trotzdem alles (besser) weiß!

Ok, ganz so krass wie in der Überschrift ist es nicht in allen Fällen, manchmal aber schon. Nicht zu vergessen natürlich die Trainierenden, die auf den Trainer hören (und das meistens auch nicht bereuen). Manchmal ist das Unwissen und das was daraus an Trainingsplan (oder besser „TrainingsNOplan“) und Übungsausführung entsteht so schlecht, dass man es nur noch mit Sarkasmus nehmen kann. Ich gebe auch zu, man stumpft da im Laufe der Zeit ab. Zu Beginn möchte man jedem helfen… und irgendwann beschränkt man das auf die, die sich helfen lassen wollen. Da ist schließlich noch immer viel zu tun!

Der Dunning-Kruger-Effekt

Es gibt übrigens eine Bezeichnung für dieses Phänomen: „Dunning-Kruger-Effekt“.

David Dunning und Justin Kruger fanden heraus, dass „weniger kompetente Personen dazu neigen,

  • ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen,
  • überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht zu erkennen,
  • das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht richtig einzuschätzen.“ (Zitiert aus Wikipedia)

Auf deutsch: wenn man keine Ahnung hat glaubt man, dass man mehr kann als man wirklich kann, sieht nicht ein, dass andere mehr wissen und bemerkt einfach nicht, dass man gar keine Ahnung hat.

Und jetzt pass mal auf! Ich zeige nicht nur mit dem Finger auf Dunning-Kruger-Effekt-Opfer, natürlich ist mir das auch schon so gegangen. Vermutlich häufiger als ich es bemerkt habe (siehe dritter Punkt).

Zu Beginn meiner Trainerkarriere wusste und konnte ich nicht den Hauch dessen, was ich heute weiß und kann… war mir dessen aber nicht bewusst. Woher soll ich wissen, dass ich etwas nicht weiß, wenn ich gar nicht weiß, dass es das gibt?

Im Anfängerstadium (egal worum es geht) liest man ein Buch, macht irgendeine Ausbildung oder schaut sich ein paar Videos an und denkt: „Hey, ich weiß wie’s geht!“

Nee, weißt Du nicht, Du hast die Schale des Apfels nicht mal angekratzt, geschweige denn einen Bissen genommen.

Ingo und die Dunning-Kruger-Sympatisanten

Ingo berichtete mir, dass aus seiner Sicht immer mehr – vor allem junge – Trainierende ihre Weisheit aus Instagram-Posts ziehen und absolut widerstandsfähig gegenüber jeglicher Korrektur, Anmerkung, Verbesserung oder was auch immer sind.

Hey, mal ganz im Ernst. Da gibt es jemanden, der das Ganze schon intensiv betrieben hat, als der HSV noch um die Meisterschaft mitspielte und diese auch hin und wieder gewann (wohlgemerkt in der ersten Liga, nicht der zweiten). Das sieht man ihm auch mehr als an… wie ich zu Beginn erwähnte!

Da hört man doch mal hin! Der Mann hat doch wahrlich Besseres zu tun, als einen Pubertierenden zu ärgern, das liegt ihm mehr als fern! Und ich weiß wie er arbeitet.

Da kommt der Verbesserungsvorschlag nicht laut, böse oder aggressiv, sondern sachlich und wohlmeinend. Wenn YouTube Coach Stef oder wer auch immer da vielleicht etwas anderes gesagt hat, dann frage ich vielleicht mal zurück und lasse mir erklären, wieso Ingo anderer Meinung ist.

Ich muss zugeben, ich hatte da bis vor ein paar Jahren noch ein anderes Wording… und habe gerne auch mal quer durch den Kraftraum gerufen, wenn Du mal wieder List gebaut hast! 😉

Ingo ist da anders und trotzdem bekommt er Antworten wie „was willst Du mir eigentlich erzählen?“, „Ich weiß wie das geht!“ und „Warum bist Du so ein Besserwisser?“

Weil er es halt wirklich besser weiß, Du Dullie! 🙂

Oftmals ist auch einfach die Umsetzung scheiße!

Und jetzt kommt noch eine weitere bittere Wahrheit für die, die aus dem Internet lernen: vieles von dem, was Du vielleicht in nem Video gesehen hast und jetzt in Dein Training integrierst, das führst Du eben nicht so aus, wie Du es gesehen hast.

Ein Kreuzheben mit der Langhantel, das lernt man nicht durch Zugucken und dann Nachmachen! Das brauchst Du erst gar nicht probieren! Da sind schon genug andere dran gescheitert. Das wird nur weil Du Dich auch für dieses Experiment opferst vermutlich auch bei Dir nicht besser ausgehen!

Ich möchte gar nicht sagen, dass alles was in den sozialen Medien veröffentlicht wird wirklich schlecht ist. Vieles aber leider schon!

Besitzt Du die Kompetenz, zwischen gut und schlecht zu unterscheiden?

Aber wer will das beurteilen? Vor allem wenn man keine Ahnung von der Materie hat (was man ja aber nicht weiß). Wenn Du erstmal in den Fängen eines bestimmten Youtubers/ Influencers bist, dann kann das sein wie in einer Sekte. Da wird kein Widerspruch geduldet, der Messias hat das so gesagt!

Genauso macht es aber auch keinen Sinn, seine Fahne jeden Tag neu in den Wind zu hängen und mal hier, mal dort, mal dieser Trainingslehre und tags darauf einer anderen zu folgen. Das ist genauso Käse, auch so wirst Du niemals ans Ziel kommen.

Jaja, die Generation Z mal wieder!

Einigen wir uns wie jede Erwachsenengeneration darauf, dass mit dem Nachwuchs nichts mehr los ist und wir das sowieso besser gemacht haben. Zumal die 17jährigen vermutlich diesen Artikel eh nicht lesen oder die dazugehörige Podcastfolge hören werden, da die maximale Aufnahmefähigkeit die Dauer eines Reals (derzeit 90 Sekunden maximal) nicht überschreitet!

Wir wären auf so blöde Ideen damals definitiv nicht gekommen… was aber auch nur daran liegt, dass wir kein Internet hatten… dafür aber Bodybuilding-Zeitschriften (Sport Revue, Muscle & Fitness, Flex…), in denen die Trainingspläne der Bodybuilding-Superstars abgedruckt waren.

Okay, diese Pläne waren natürlich Phantasie, meist das Hirngespinst irgendeines Autors, aber selbst wenn die Pläne real gewesen wären:

  • Diese Bodybuilder haben 20 Trainingsjahre oder mehr auf dem Buckel.
  • Wie sie nach 20 Jahren trainieren, das mag anders sein als zu Beginn der Karriere.
  • Wer so weit nach oben kommt, dass Fotos in Zeitschriften abgebildet werden, die oder der muss auch eine grandiose Genetik haben.
  • Wer so weit kommt, der hat sein Leben komplett darauf eingestellt. Da wird nicht zusätzlich 3x die Woche Fussball gespielt, am Wochenende gesoffen und bei Mc Donalds’s gegessen.
  • Schon mal von Anabolen Steroiden, Wachstumshormonen und was weiß ich was es da noch alles gibt gehört?

Und jetzt kommt da Torsten (oder heute vielleicht Kevin oder Leon), hat leider keine gute Genetik, macht sonst aber viel falsch und nimmt (hoffentlich) keine muskelaufbauenden Drogen… na, ob da der Trainingsplan des Profis helfen wird?

Vermutlich hören wir nie auf, dumme Sachen zu tun!

Im Rückblick betrachtet sind viele Dinge, die man im Leben gemacht hat ziemlich doof, wenn man erstmal eine Entwicklungsstufe weiter ist.

Frag mich in 10 Jahren mal, was ich 2023 Doofes gemacht habe. Vielleicht beim Thema Geldanlage oder so. Irgendwas wird es schon geben, das im Nachhinein dumm war!

Lass uns hoffen, dass es zwar dumme, aber lustige Geschichten sein werden, die wir austauschen!

Zurück zu dummem Training!

Kommen wir zurück zum dummen Training. Wie Du jetzt vielleicht verstanden hast, schüttel ich zwar bei vielen Dingen den Kopf… verstehe aber irgendwie schon, wie es dazu gekommen sein könnte.

Ich kämpfe aber auch darum, solche Trainierenden zu erreichen! Sportliches Training ist toll und wenn man dieses dann auch noch gut und nicht nur „irgendwie“ ausführt, dann ist das noch besser. Das gönne ich einfach jedem.

In Teil 2 und 3 dieser Trilogie gehe ich zum einen darauf ein, warum ich nicht mehr jede und jeden korrigiere beim Training. Des Weiteren werde ich Dir mal die lustigsten Geschichten erzählen über schlecht Trainierende. Manches ist zwar eigentlich zum Heulen, aber hey, das Leben ist oftmals hart genug, da muss man sich über ein solch vergleichsweise unwichtiges Thema nicht auch noch graue Haare wachsen lassen… wobei: vielleicht lasse ich mir gerade deshalb ja die Haare immer blond färben??? Und frag mal Ingo, wie er zu seiner Frisur kam! 😉

Trainiere lang genug, dann machst Du nicht mehr dieselben Fehler wie die Insta-Follower der Generation Z!

Hahaha, das hast Du jetzt nicht wirklich geglaubt, oder? Nur weil man etwas lange macht, macht man es noch nicht zwingend gut. Ich kenne viele Trainierende, die seit Jahrzehnten trainieren und nicht den Hauch einer Idee dessen haben, wie korrektes Training geht.

Na ja, beziehungsweise sie glauben schon, dass sie eine Idee haben… stimmt aber halt nicht. Siehe Dunning-Kruger-Effekt! Aber darauf gehe ich in den kommenden zwei Folgen dieser Artikelreihe noch ausführlich ein!

Dank Dir fürs Dranbleiben und bis zum Ende durchlesen! Und falls Du zu den Menschen gehörst, die sich beim Training helfen lassen möchten, lass es mich wissen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert